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Jugendbeteiligung in der Kommunalpolitik oder mehr Beteiligung wagen!

Dieser Beitrag erscheint auch in der Mitgliederzeitschrift der Grünen Jugend Baden-Württemberg „Zitro“ im November/Anfang Dezember

Zum Beginn ein kleines Gedankenexperiment, stellt euch vor: Straßenverkehr ist gefährlich. Damit „den Kindern“ nichts passiert, nehmen die Eltern sie vom Gartentor bis zum Ziel, an die Hand und führen sie auf allen ihren Wegen. In der 10. Klasse wird dann mal theoretisch über Straßenverkehr gesprochen. Mit dem 18. Geburtstag dürfen diese jungen Menschen, die sich noch nie auf öffentlichen Straßen alleine bewegt haben, sofort Autofahren.

Absurd, oder?

Das war lange die Haltung zum Mitreden. Bis 18 hatten junge Menschen die Schnauze zu halten, die Eltern, Lehrpersonen und Jugendarbeiter*innen würden ihre Interessen schon kennen und überhaupt seinen sie ja sowieso nicht reif genug selbst zu entscheiden. Plötzlich mit 18 durften sie dann Wählen und sollten sich politisch engagieren.

Glücklicherweise hat sich diese Einstellung gewandelt. Die Mehrheit der Pädagogen geht inzwischen davon aus, das Beteiligung bereits mit dem Kindergarten einsetzen sollte um Missbrauch vorzubeugen, aber auch um die Herausforderungen einer immer vielfältigeren Gesellschaft zu bewältigen. Aus der Forschung wissen wir, das die grundlegenden Einstellungen zur Demokratie bereits im Kindergartenalter gelegt werden.

Gerade im Feld der Jugendbeteiligung müßen wir aufpassen, das wir nicht mutwillig Beteiligung und Engagement verwechseln. Beides ist gut, aber unterschiedlich:

Beteiligung, bedeutet ein Handeln, das darauf abzielt die politischen Verhältnisse zu verändern. Ein gutes Beispiel wäre die Teilnahme an einer Wahl, Demo, Bürgerversammlung, das Schreiben eines Brief an Politiker oder ähnliches.

Engagement, bedeutet ohne Entlohnung sich für eine Sache einzusetzen. Etwa indem ich den Kindern meines Nachbarn kostenlos Nachhilfe gebe, Mitglied bei Greenpeace bin oder im Sommer den Baum vorm Haus gieße. Dadurch wird zwar einiges im Umfeld besser, aber grundsätzlich verändern sich aber die Zustände eben nicht. Das Engagement wirkt ja geradezu systemstabilisierend.

Beteiligung in der Kita?

Wird dann abgestimmt, ob es heute Spaghetti oder Schokolade gibt? Was erst mal abwegig klingt, hat einen sinnvollen Hintergrund: Die Kinder lernen sich zuzuhören, gemeinsam Regeln festzulegen, aufeinander einzugehen. Die Aufgabe der Erwachsenen ist es dabei festzulegen über was die Beteiligung erfolgt und Rahmen und Verfahren zu moderieren. Wem dies alles seltsam vorkommt, der möge einfach „Demokratische Kita“ googeln.
Inzwischen schreibt das SGB 8 auch für jede Kita ein Beteiligungs- und Beschwerdekonzept vor und Fachverbände wie die Caritas haben umfangreiche Handreichungen und eigene Kitademokratie Förderstellen.

(Siehe etwa auch: diesen Beitrag der Bundeszentrale für politische Bildung.)

Beteiligung in der Schule?

Ist zunächst im Schulgesetzt geregelt. Dieses sieht seit der Änderung 2015 eine Drittelparität von jeweils Eltern, Schüler*inen und Lehrpersonen vor. Der Beteiligungsalltag wird in den Schulen sehr unterschiedlich gelebt. Während es einzelne Schulen wie etwa gibt die mit vorbildlichen Konzepten, wie Klassenrat, Schulversammlung auf sich Aufmerksam machen oder das Schulprojekt AULA gibt ist an vielen Schulen Beteiligung eher Feigenblatt. das sich auf die Randbereiche des Schulbetriebes wie Feste und Ausflüge bestimmt.

Beteiligung in der Gemeinde?

Baden-Württemberg hat dank der Änderungen der Grün-Roten Koalition 2015 den weitestgehenden Jugendbeteiligungsparagraphen in der Gemeindeordnung. Der Paragraph 41a der Gemeindeordnung erklärt:

„Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen.“

Wobei soll als muß zu verstehen ist, wenn es keine Gründe gibt die dem Beteiligen im Wege stehen.
Darüber regelt er die Möglichkeit der Jugendlichen durch Unterschriftensammlung mit eher wenigen Unterschriften, die Einrichtung eines Jugengemeinderates durchzusetzen.

Sie räumt den Kindern und Jugendlichen sogar eine Klagemöglichkeit gegen versäumte Beteiligung ein – leider hat von diesem Recht bisher noch kein Jugendlicher gebrauch gemacht, wäre es doch spannend zu sehen, wie ein Verwaltungsgericht entscheiden würden, wenn ein Kind (mithilfe der Eltern) gegen den Bau eines Spielplatzes klagt, an dem es nicht beteiligt wurde.

Dabei ist der klassische Jugendgemeinderat nicht das einzige Format Jugendliche zu Beteiligen. Mit klassisch meine ich: Durch eine Wahlhandung werden Kandidaten in ein Gremium gewählt und dann arbeitet dieses Gremium vergleichbar dem Gemeinderat. Während der Vorteil hier eine gewisse Legitimation durch Wahlen und beständige Beteiligung, sowie die Verwaltungsnähe ist, stehen dem als Nachteil häufig eine geringe Wahlbeteiligung und ein Vorsprung für Mittelschichtkandidaten entgegen. Auch wenn dies etwa im Prozeßdesign durch Wahl an Schulen während der Schulzeit, gesetzte Plätze für Behinderte und ähnliches minimiert werden kann.

(Weitere Informationen, LpB BW)

In einigen Städten gibt es als Modell den sogenannten 8er Rat, in ihm werden alle junge Menschen aus der 8. Klasse zusammen genommen und arbeiten gemeinsam während und nach der Schule an Beteiligungsprojekten die von Paten aus Verwaltung und Gesellschaft begleitet werden. Dies hat den Vorteil, dass alle Jugendlichen sich einbringen können und durch Paten auch die Umsetzung der Ideen oder zumindest ein Aufgreifen gewährleistet ist. Auch sehen junge Menschen, das Politik nicht alleine im Fordern besteht, sondern das bis zur Umsetzung weitere Schritte und Hürden überwunden werden müßen.

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Wie geht das mit dem 8er Rat? Bild: Copyright Christine Golz | Jugendbüro Freiburg

Darüber hinaus gibt es auch immer die Möglichkeit der vorhabenbezogenen Beteiligung. Für die Gestaltung des neuen Spielplatzes in der Stadt ist nicht erst die Wahl eines Gremiums von Nöten. Häufig verlaufen diese Beteiligungen so: Die jungen Menschen aus dem Viertel werden angesprochen – durch Aushänge, Flyer, aber auch direkt – eine für alle offene Planungswerkstatt mit jungen Menschen, Planern und Pädagogen erarbeitet Vorschläge, diese werden dann von den Planern in einen oder mehrere fertige Pläne umgesetzt und nochmal diskutiert. Dadurch gewinnt der neue Platz an Akzeptanz und häufig auch an Spielqualität.

Grundsätzliches

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Leserbrief: Jugendparlament Ulm Neustart

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Sehr geehrte Damen und Herren,
Sehr geehrter Herr Ruschitzka,

zu ihrem Artikel “Das Jugendparlament erfindet sich neu” juckt es mich doch ein wenig in den Fingern. Da heißt es:
“Im vielleicht wichtigsten Punkt geht es um mehr Jugendbeteiligung in der Kommunalpolitik. Bei jugendrelevanten Themen wünschen sich die Jugendlichen mehr Informationen aus dem Rathaus und mehr Mitbestimmung im Rathaus. Man will einbezogen werden, man möchte am liebsten mit abstimmen. Doch diesen Zahn muss sich Dana Hoffmann schnell ziehen lassen. Das, so OB Gunter Czisch und FWG-Rätin Helga Malischewski unisono, sieht die Gemeindeordnung nicht vor”

Tatsächlich sieht der neue §41a der Gemeindeordnung sehr viel Kinder- und Jugendbeteiligung vor: “Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Dafür sind von der Gemeinde geeignete Beteiligungsverfahren zu entwickeln.”

Daher Jugendliche habe ein Recht Beteiligt zu werden. Und ja ein Beteiligungsvorgang könnte dann auch so aussehen, das nach der Diskussion mit den Jugendlichen auch abgestimmt wird. Etwa wenn es verschiedene Varianten über die Verwendung von Geld aus einem Jugendbeteiligungshaushalt gibt, verschiedene Ideen wie man eine Sportanlage gestalten kann, oder, oder… So kann der Gemeinderat sein Entscheidungsrecht auf die tatsächlich betroffenen verlagern.
Das macht Sinn: Denn nur durch Demokratie handeln, lernt man Demokratie.
Übrigens wenn man dieses Recht auf Beteiligung missachtet, dann handelt die Gemeinde rechtswidrig und macht ihre Entscheidungen auch vor dem Verwaltungsgericht angreifbar.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Müller

***

Übrigens: auf den Leserbrief hin habe ich doch einige sehr postive Rückmeldungen aus Ulm erhalten und hoffe, dass die dortige Neukonzeption erfolgreich sein wird.

SüdwestPresse lobt Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg

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Wir sind groß in der Südwestpresse zum Thema Jugendbeteiligung in Baden-Württemberg: (Und auch in der Gmünder Tagespost):

Der 14. Oktober 2015 war ein Mittwoch – und für Sebastian Müller ein Freudentag. In Deutschland tobt seit Sommer die Diskussion um Flüchtlinge und überdeckt vieles. Zum Beispiel, dass der Landtag in Stuttgart nahezu unbemerkt den Paragrafen 41a der Gemeindeordnung ändert. Dabei ist das für die kommunale Politik durchaus von Bedeutung, ist sie seit Inkrafttreten der Modifikation doch verpflichtet, „Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise zu beteiligen“. (…)

Genau dafür hat Müller, Masterstudent der Soziologie, lange gekämpft. 2000 Unterschriften hatten er und einige Mitstreiter gesammelt und 2013 im Landtag überreicht. Mit der Änderung des Paragrafen im vergangenen Herbst können ein Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung nun schneller gegründet werden. (…)

„Das ist schon sehr weitgehend“, findet Müller. Der Südwesten sei vorne dabei, was die Partizipation von Jugendlichen anbetrifft, sagt der 33-Jährige, der sich selber bei der Jungen Liste in Freiburg engagierte und im Gemeinderat saß.“

 

Damit hat endlichmal eine größere Zeitung die Änderung des §41a aufgegriffen und bereichtet was sich alles gutes für junge Menschen getan hat.

Wir haben inzwischen eine Crowdfunding Kampagne gestartet um die Arbeit der Studiengruppe im neuen Jahr vorran zu bringen. http://www.bw-crowd.de/jugendbeteiligung2016.

Studiengruppe Jugendbeteiligung startet Crowdfunding-Kampagne

Studiengruppe Jugendbeteiligung startet Crowdfunding-Kampagne

Am 14. Oktober 2015 hat der Landtag von Baden-Württemberg die Gemeindeordnung reformiert. Jetzt sollen Kinder und müssen Jugendliche bei allen sie betreffenden Fragen in den Gemeinden angemessen beteiligt werden.

Kann man von einer gelebten Beteiligungspraxis sprechen, wie Städtetag und Kommunalverbände beteuern?
Die Studiengruppe Jugendbeteiligung sieht hier noch ein großes Potenzial nach oben. „Es ist keine Frage des Alters, sondern eine Frage der politischen Kultur und des Willens zur Beteiligung”, so Sebastian Müller aus Freiburg, Initiator der Studiengruppe.

„Damit die Gesetzesänderung nun in praktische Mitbestimmung übersetzt werden kann, müssen Kinder und Jugendliche erst einmal von ihren neuen Rechten erfahren. Nur wer seine Rechte kennt, kann diese auch einfordern”, ergänzt Urs Unkauf aus Hechingen, Mitinitiator der Studiengruppe.

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„Nach unserer erfolgreichen Kampagne von 2013, deren Forderungen der Gesetzgeber größtenteils aufgenommen hat, sammeln wir aktuell im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne, um für die neuen Beteiligungsrechte dort werben zu können, wo viele Jugendliche Zeit verbringen – in den sozialen Medien”, ergänzt Heinrich Freer aus Nürtingen, Mitglied der Studiengruppe.

 Noch knapp 50 Tage läuft die Kampagne, die unter folgendem Link abgerufen werden kann: http://www.bw-crowd.de/jugendbeteiligung2016.

 Mit dem Geld möchte die Studiengruppe einerseits Werbung für Beteiligung in den sozialen Medien schalten. Andererseits soll ein Brief an alle Gemeinden in Baden-Württemberg bis 20.000 Einwohner versandt werden, um über die neue Gesetzeslage aufzuklären.

Jede Spende, besonders auch kleinere Beträge, ist herzlich willkommen und hilft!

Für alle Spender winken zudem attraktive Prämien auf der Seite von BW-Crowd.

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Info-Kampagne: Beteiligung – dein Recht!

Info-Kampagne: Beteiligung – dein Recht!

Mach mit bei der Crowdfunding Kampagne

Der Landtag von Baden-Württemberg hat den § 41a der Gemeindeordnung geändert: Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an sie betreffenden politischen Fragen wird für Gemeinden verpflichtend.
Damit Kinder und Jugendliche aber von diesem Recht bewussten Gebrauch machen können, müssen sie davon wissen! Daher planen wir, über soziale Medien, unser Blog sowie mit Kooperationspartnern wie dem Landesjugendring und dem Dachverband der Jugendgemeinderäte darüber auf breiter Basis zu informieren. Zugleich wollen wir damit für gelebte Beteiligung junger Menschen in den Kommunen werben.

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Worum geht es in diesem Projekt?
Wir sammeln Geld und schalten dafür auf Facebook und anderen soziale Medien Werbung, um Kinder und Jugendliche über ihr Beteiligungsrecht aufklären zu können. Weiterhin informieren wir die kleinen Gemeinden in Baden-Württemberg über diese neue Aufgabe.

Was sind die Ziele und wer die Zielgruppe?
Jeder Jugendliche und jedes Kind sollen über sein Recht auf Beteiligung bei den sie betreffenden Fragen wissen!
Zielgruppe: Alle von 0 -18 Jahren in Baden-Württemberg.
Ziele: Aufklärung über Beteiligungsrechte und gelebte Beteiligungspraxis in den Kommunen.

Warum solltest du dieses Projekt unterstützen?
Damit Kinder und Jugendliche von ihrem Recht auf Beteiligung wissen und sich somit aktiv am Leben einer modernen, demokratischen Bürgergesellschaft beteiligen können. Nur wer von seinen Rechten weiß, der kann sie auch wahrnehmen und somit die gesellschaftlichen Belange aktiv mitgestalten.

Was passiert mit dem Geld bei erfolgreicher Finanzierung?
Wir schalten gezielte Werbung in den sozialen Medien (insbesondere Facebook), um Kinder und Jugendliche auf ihre Rechte an einer angemessenen Beteiligung im kommunalpolitischen Kontext aufmerksam zu machen. Budget hierfür ca. 250 Euro.
Daneben schreiben wir alle Gemeinden bis 20.000 Einwohner an und weisen sie auf diese nun geltende Beteiligungspflicht hin. Budget ca. 200 Euro.
Weitere Kosten, etwa für Grafiker, Design von Anzeigen: ca. 50 Euro.
Wir geben kein Geld für Personal- oder Betriebskosten aus.

Landesjugendring erklärt §41a

Der Landesjugendring hat auf dem Jugendwiki einige gute Erklärungen zum neuen § 41a eingestellt. Diese zu lesen lohnt sich auf jeden Fall:

Erläuterungen zum §41 a GemO BW

  • „Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche (…) in angemessener Weise beteiligen“

Dies gilt zunächst für anstehende konkrete Entscheidungen, die die Interessen von Kinder und Jugendlichen berühren. Nicht abgeleitet werden kann hieraus die Verpflichtung, einen Jugendgemeinderat oder eine andere auf Dauer angelegte Jugendvertretung einzurichten. Auch eine einmalige, auf die zu entscheidende Frage reduzierte Form der Beteiligung ist möglich. Die Einrichtung einer auf Dauer angelegten Form der Beteiligung ergibt sich erst aus dem Recht der Jugendlichen, eine solche Einrichtung zu beantragen.

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Anne Lütkes: „Kommunen müssen zukünftig Jugendliche bei vielen Dingen zwingend beteiligen“

Anne Lütkes ist die Regierungspräsidentin von Düsseldorf. Sie hat Jura studiert und ist Expertin für öffentlichen Verwaltung. Daneben ist sie die Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerkes. Sie geht davon aus, dass der neue § 41a Verwaltungshandeln nur besser machen kann und sich die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bald als ganz normal eingespielt haben wird.

Frage: Frau Lütkes, im neuen Paragraph 41a der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg heißt es: „Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen.“ Was genau bedeutet das denn für die Gemeinden?
Das bedeutet ganz einfach, dass die Kommunen zukünftig Jugendliche bei vielen Dingen zwingend beteiligen müssen und das nicht nach Lust und Laune. Bezüglich der Kinder ist das etwas eingeschränkt. Bei einer Soll-Vorschrift ist die Kommune sehr stark gebunden, da mit dieser Formulierung der Gesetzgeber für den Regelfall eine Beteiligung der Kinder vorgesehen hat. Nur im Ausnahmefall, nämlich bei einer atypischen Fallgestaltung oder besonderen Umständen, ist der Behörde ein Ermessen eingeräumt. Damit haben wir eine klare Verbesserung der bisherigen Rechtslage, die mit einer Kann-Bestimmung für Jugendliche wesentlich unverbindlicher gefasst war.

Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerks und Regierungspräsidentin von Düsseldorf

Anne Lütkes, Vizepräsidentin des Deutschen Kinderhilfswerks und Regierungspräsidentin von Düsseldorf Copyright: Bezirksregierung Düsseldorf

Frage: Und was machen wir, wenn sich Kinder und Jugendliche gar nicht für die betreffenden Themen interessieren?
Dann werden sie sich am Mitbestimmungsprozess eben nicht beteiligen. Die Erfahrung zeigt aber, dass Kinder und Jugendliche, wenn sie denn gefragt werden, großes Interesse an Beteiligungsprozessen haben. Wichtig ist hier aber, dass sie kind- bzw. jugendgerecht ablaufen.

Frage: Was heißt das konkret?
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen funktioniert dann richtig gut, wenn Moderatorinnen und Moderatoren für Kinder- und Jugendbeteiligung diesen Prozess moderieren. Deshalb bilden wir als Deutsches Kinderhilfswerk seit vielen Jahren entsprechende Fachkräfte aus.

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Praktische Informationen zur Umsetzung des neuen Beteiligungsparagraphen

Hier findest du Informationen zum Einrichten eines neuen Jugendgemeinderates.

Hier findest du den Antrag als Word Datei zum Download (Stand 18.10.2015): AntragEinrichtungJGRnach41a

Hier einige häufig gestellte Fragen (STand 18.10.2015)

Wie sammle ich Unterschriften für einen Jugendgemeinderat in meiner Gemeinde?

Das ist relativ einfach. In der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg ist geregelt, das Jugendliche den Gemeinderat ihrer Gemeinde auffordern können einen einzurichten. Es müssen nur genügend Jugendliche darfür unterschreiben.

Dann muss dieser Antrag bei der Gemeindeverwaltung abgegeben oder zugeschickt werden. Persönlich abgeben im Rathaus ist netter.

Der Gemeinderat muss sich dann innerhalb von drei Monaten mit dem Thema beschäftigen. Er muss dazu auch die Antragsteller anhören.

Was genau ist ein Jugendgemeinderat?

Ein Jugendgemeinderat ist ist ein demokratisch legitimiertes, überparteiliches Gremium auf kommunaler Ebene, das die Interessen der Jugend in der Stadt oder Gemeinde gegenüber (Ober-)Bürgermeister, Gemeinderat und Stadtverwaltung vertritt. Dabei steht im Gesetz nicht genau, was ein Jugendgemeinderat ist. Jede Genmeiden entscheidet selber, wie dieser gewählt oder bestimmt wird. Es gibt auch Gemeinden die auf eine Wahl verzichten.

Jugendgemeinderatsmitglieder sind ehrenamtlich tätig und in der Regel nicht parteigebunden. Die Anzahl der Mitglieder richtet sich mehr oder weniger nach der Einwohnerzahl der Kommune und wird in der Satzung festgelegt. In welchem Alter die Jugendlichen in den Jugendgemeinderat gewählt werden können, legt ebenfalls die Gemeinde fest; die Spanne reicht von zwölf bis 21 Jahren.

Das aktive und passive Wahlrecht haben Jugendliche unabhängig davon, welcher Nationalität sie angehören (anders als sonst bei Kommunalwahlen). In manchen Gemeinden entscheidet der Wohnort über die Wahlberechtigung, in anderen dürfen alle Jugendlichen wählen, die Schulen im Ort besuchen, unabhängig davon, wo sie wohnen

Wieviele Unterschriften brauche ich?
Um das Gesetz zu zitieren:
“Der Antrag muss in Gemeinden mit bis zu 20 000 Einwohnern von 20,
in Gemeinden mit bis zu
50 000 Einwohnern von 50,
in Gemeinden mit bis zu
200 000 Einwohnern von 150,
in Gemeinden mit über
200 000 Einwohnern von 250
in der Gemeinde wohnenden Jugendlichen unterzeichnet sein.”

Es empfiehlt sich, einige Unterschriften mehr zu sammeln, da in der Regel, Menschen nicht wissen wo sie genau wohnen (kommt tatsächlich vor), ihre Namen nicht leserlich schreiben, oder sonst wie die Unterschriften als ungültig gewertet werden.

Woher weiß ich wie groß meine Gemeinde ist?
In der Regel schreiben dass die Gemeinden auf ihren Websites. Die meisten Gemeinde Websites sind Gemeindename.de, alternativ empfehlen wir die Suche auf Wikipedia, da steht es in der Regel auch.

An wen muss ich das schicken?
Das Formular musst du an die Gemeindeverwaltung oder Stadtverwaltung deiner Heimatgemeinde schicken. Die Adresse findest du auf der Website deiner Gemeinde, auf Wikipedia oder einfach googeln.

Wie sollte das Formular aussehen?
Wir haben einen Entwurf (als Pdf und Word Datei) hier hinterlegt.
Aber der Antrag hat keine Formvorschriften. Es sollte jedoch darauf stehen: “Die Unterzeichner beantragen die Einrichtung eines Jugendgemeinderates”, es sollte die Namen, Adressen und Unterschriften der Menschen enthalten die den Antrag unterstützten und einen Ansprechpartner für die Gemeinde.

Wer darf unterschreiben?
Im Gesetz steht “Jugendliche”, wir gehen davon aus, das es sich dabei um Menschen die zwischen 10 und 18 Jahren alt sind. Andere gehen davon aus, das Jugendliche auch älter sein könnten. Im Jugendhilfegesetz ist von bis zu 27 Jahren die Rede. Wir empfehlen, dass die Personen unter 18 Jahre alt sind.
Wichtig ist weiterhin, das sie in der Gemeinde gemeldet sind, daher dort wohnen. Wo man wohnt (bzw. gemeldet ist) steht in der Regel im Personalausweis oder Schülerausweis.
Wir gehen davon aus, dass die Person kein Deutscher oder EU Bürger sein muss.

Was können Leute tun, die nicht unterschreiben dürfen?
Es empfiehlt sich für interessierte Erwachsene, Jugendliche die nicht unterschriftsberechtig sind eine weitere Liste vorzuhalten. Damit diese auch unterschreiben können um so ihre Unterstützung zu zeigen. Dann sind Leute die nicht unterschreiben dürfen, auch nicht beleidigt. Wir haben einen Vordruck hier hinterlegt.

Entstehen aus der Unterschrift Verpflichtungen? Muss ich etwa beim Jugendgemeinderat mitmachen?
Nein. Durch das unterschreiben auf der Unterschriftenliste entstehen keine weiteren Verpflichtung. Man muss weder etwas kaufen, noch Geld bezahlen, noch etwas weiteres tun. Die Gemeinde verkauft auch nicht die Adresse oder legt damit eine Liste an. Man muss auch nicht beim Jugendgemeinderat mitarbeiten.

Wieviel Zeit habe ich?
Du kannst dir zum sammeln ruhig Zeit lassen, im Gesetz sind keine Fristen vorgesehen.

Wer kann mir helfen? Wo finde ich weitere Informationen?

Auf den Websites findest du auch die Telefonnummern und E-Mail-Adressen.

Wie lautet das Gesetz?

Gemeindeordnung von Baden-Württemberg: §41a Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

(1) Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Dafür sind von der Gemeinde geeignete Beteiligungsverfahren zu entwickeln. Insbesondere kann die Gemeinde einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten. Die Mitglieder der Jugendvertretung sind ehrenamtlich tätig.

(2) Jugendliche können die Einrichtung einer Jugendvertretung beantragen. Der Antrag muss in Gemeinden mit bis zu 20 000 Einwohnern von 20, in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern von 50, in Gemeinden mit bis zu 200 000 Einwohnern von 150, in Gemeinden mit über 200 000 Einwohnern von 250 in der Gemeinde wohnenden Jugendlichen unterzeichnet sein.

Der Gemeinderat hat innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags über die Einrichtung der Jugendvertretung zu entscheiden; er hat hierbei Vertreter der Jugendlichen zu hören.

(3) In der Geschäftsordnung ist die Beteiligung von Mitgliedern der Jugendvertretung an den Sitzungen des Gemeinderats in Jugendangelegenheiten zu regeln; insbesondere sind ein Rederecht, ein Anhörungsrecht und ein Antragsrecht vorzusehen.

(4) Der Jugendvertretung sind angemessene finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Über den Umfang entscheidet der Gemeinderat im Rahmen des Haushaltsplans. Über die Verwendung der Mittel ist ein Nachweis in einfacher Form zu führen.“

Landtag von Baden-Württemberg beschließt Änderung des § 41a der Gemeindeordnung

Landtag von Baden-Württemberg beschließt Änderung des § 41a der Gemeindeordnung:

  • Beteiligung von Kindern und Jugendlichen wird für Gemeinden verpflichtend
  • Bereits eine Anzahl von 20 Jugendlichen kann die Einrichtung einer Jugendvertretung (etwa eines Jugendgemeinderates) verbindlich beantragen
  • Jugendgemeinderäte erhalten mehr Rechte

„Die neue Regelung der Landesregierung macht aus Baden-Württemberg das Jugendbeteiligungsland Nummer Eins“, freut sich Sebastian Müller aus Freiburg, einer der Initiatoren der Kampagne ‚Ja zu verbindlicher Kinder- und Jugendbeteiligung‘ aus dem Jahr 2013.

Damit haben Kinder und Jugendliche ein Recht darauf, bei den sie betreffenden Fragen in ihrer Gemeinde zumindest informiert und angehört zu werden.“, so Müller weiter.

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Sebastian Müller (links) und Urs Unkauf (rechts). In der Mitte Florian Wahl (Mdl) bei Gesprächen zum neuen §41a im Landtag.

„Umgestaltung von Spielplätzen, Renovierung von Schulen, neue Angebote im Jugendhaus all diese Fragen kann der Gemeinderat in Zukunft nicht mehr entscheiden, ohne nicht zumindest einmal die betroffenen Kinder und Jugendliche angehört zu haben.“, erklärt Urs Unkauf aus Hechingen, der die Kampagne ebenfalls mitorganisiert hat. Weiterlesen

Landtag stärkt die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen.

Mehr oder weniger unbemerkt hat der Landtag, als Teil der Kommunalreform, auch die Rechte von Kindern – und Jugendlichen gestärkt. (Link zur PDF mit den Beschlüssen der 15. Wahlperiode vom 14.10.2015)

Der neue § 41a der Gemeindeordnung lautet nun:

§ 41a
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen

(1) Die Gemeinde soll Kinder und muss Jugendliche bei Planungen und Vorhaben, die ihre Interessen berühren, in angemessener Weise beteiligen. Dafür sind von der Gemeinde geeignete Beteiligungsverfahren zu entwickeln. Insbesondere kann die Gemeinde einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten. Die Mitglieder der Jugendvertretung sind ehrenamtlich tätig.

(2) Jugendliche können die Einrichtung einer Jugendvertretung beantragen. Der Antrag muss in Gemeinden mit bis zu 20 000 Einwohnern von 20,
in Gemeinden mit bis zu 50 000 Einwohnern von 50,
in Gemeinden mit bis zu 200 000 Einwohnern von 150,
in Gemeinden mit über 200 000 Einwohnern von 250
in der Gemeinde wohnenden Jugendlichen unterzeichnet sein.

Der Gemeinderat hat innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags über die Einrichtung der Jugendvertretung zu entscheiden; er hat hierbei Vertreter der Jugendlichen zu hören. Weiterlesen